Geschichte

Melanchthonkirche in Stockach

Die evangelische Melanchthon-Kirche in Stockach bekam ihren Namen erst Jahrzehnte nach ihrer Entstehung und in ihrer Bauzeit lag sie quasi am Ortsrand. Der evangelische Glauben ist in Stockach noch recht jung. Die heutige Melanchthonkirche entstand 1883 und erst sieben Jahrzehnte zuvor ist der erste Bürger mit diesem Glauben verzeichnet.  "1825 registrierte man in Stockach erstmals ein Mitglied der evangelischen Kirche. Bis dahin war das katholische Bekenntnis die einzige Konfession in unserer Stadt." Die Gemeinde wuchs jedoch schnell. Um die Zeit der badischen Revolution im Jahr 1848 gab es 72 Evangelische und 1583 Katholiken in der Stadt und der spätere Kaiser Wilhelm I. veranlasste, dass "die Tore der katholischen Stadtkirche für einen evangelischen Gottesdienst zu öffnen seien". Neun Jahre später genehmigte der Großherzog von Baden regelmäßige Gottesdienste. 1855 kauften die Evangelischen einen Betsaal im Haus am Stadtwall 19. 

Der Gedanke an eine eigene Kirche entstand in den 1860er-Jahren. Den symbolischen Grundstein dafür stellte der Großherzog im Jahr 1872 mit dem Schenken einer 27 Zentner schweren Kanone – Kriegsbeute aus Frankreich."Aus der Kanone sollten die Glocken für den geplanten Kirchenbau gegossen werden". Zehn Jahre später kaufte der Kirchenfonds, die Diaspora-Genossenschaft Stockach, für 2700 Mark das Grundstück für die Kirche. Heute liegt sie zentral in der Stadt, auf historischen Bildern eher am damaligen Rand. Die Gemeinde hatte 30 Jahre lang für den Bau gespart. Dafür gab es Spenden von Privatpersonen – auch Nicht-Stockachern – und zum Beispiel Adligen wie dem Großherzog und dem damaligen Graf Langenstein. Jede einzelne Stiftung war nötig: Der erste Kostenvoranschlag belief sich auf 45 000 Mark.

Beim Bau entstand zuerst der Kirchturm, die Grundsteinlegung im September 1883 folgte später. In der Urkunde heißt es, er werde gelegt,"in der Hoffnung, dass derselbe mit seinem Inhalt unverrückt und unentweiht viele Jahrhunderte da, wohin er gelegt wurde, ruhen werde". Gut ein Jahr später, am 18. Oktober 1884, war das Einweihungsfest, das der Nellenburger Bote als "Beweis der liebevollen Eintracht" unter den Stockachern verschiedener Konfessionen beschrieb. In den Jahren nach Bau und Einweihung wuchs die Zahl der Gläubigen und das Gotteshaus veränderte sich: Neun Jahre nach der Einweihung bekam die Kirche die erste Orgel, weitere sieben Jahre später eine Turmuhr. Zum Jahrhundertwechsel entstand schließlich die selbstständige Pfarrei unter Heinrich Schemenau."Zur Pfarrgemeinde gehörten damals auch Radolfzell, Meßkirch, Pfullendorf, Engen und Ludwigshafen".

Der Erste Weltkrieg hinterließ schließlich seine Spuren: Die Glocken, die einst Kanonen gewesen waren, wurden wieder zu Kanonen. „Am 27.6.1916 muss die evangelische Gemeinde von zwei Glocken Abschied nehmen – nur die kleinste Glocke darf als Läuteglocke bleiben”. 1924 erhielt die Gemeinde neue Glocken aus Bochum. Diese waren bei der Firma Fahr in Stockach zwischengelagert und gelangten in einem geschmückten Pferdewagen zur Kirche. Mit Stadtmusik, Kirchenchor und Zug durch die Stadt war es eine große Feier, die Glocken zur Kirche zu bringen. 

Der Umfang der Pfarrei veränderte sich in den folgenden Jahrzehnten und im Jahr 1962 bekam die Kirche mit ihrer Erweiterung und dem Bau des Gemeindezentrums schließlich ihren heutigen Namen: Melanchthon-Kirche. Der Name ist der des Reformators Philipp Melanchthon, ein Freund von Martin Luther. Zur Einweihung,stiftetet der damalige Bundestagspräsident die Altarbibel. Über den Umbau fasste der Artikel zusammen: "Das alte Kirchenschiff wurde verlängert und ein sehr schöner Altarraum geschaffen, an den sich seitlich auch der Gemeindesaal als zusätzlicher Kirchenraum anschließt." Der Taufstein aus Marmor war ein Geschenk aus Konstanz, wo er in der Lutherkirche gestanden hatte.

Mitte der 1980er-Jahre fand eine Außenrenovierung der Kirche statt, 1992 folgte die Renovierung innen. Pfarrer Claus von Criegern, der 1982 Pfarrer in Stockach wurde, hatte nach Friedrich Ueltzhöffer (32 Jahre) die zweitlängste Amtszeit (26 Jahre) hier. 1999, im 100. Jubiläumsjahr der Eigenständigkeit, hatte die Pfarrei mit Renate Friedrich die erste Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Hartmut Rathke, zu jener Zeit im Kirchengemeinderat, kümmerte sich mit Pfarrer Claus von Criegern um die Festschrift. Der amtierende Pfarrer Rainer Stockburger ist der zehnte seit der Entstehung der eigenständigen Stockacher Pfarrei.